Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Gefiederte Hüte, kämpferische Frauen und kreative KI

02.11.2023

Bianca Schröder

Dr. Bianca Schröder

bianca [dot] schroeder [at] rifs-potsdam [dot] de
Susanne Schmitt mit ihrem Exponat bei der Berlin Science Week.
Susanne Schmitt mit ihrem Exponat bei der Berlin Science Week.

Drei Hüte liegen in transparenten Schachteln: ein weinroter Samthut mit üppigem braunem Federschmuck, eine Hutkrempe aus Stroh, darauf Federn, Blätter und Blüten zu einem Nest drapiert, und ein Hut mit rosa Federn und einem ausgestopften Vogelköpfchen. Die Kopfbedeckungen stehen im Mittelpunkt einer „Tiny Gallery“, mit der RIFS Art Fellow Susanne Schmitt bei der Berlin Science Week zum Nachdenken darüber anregt, wie die Hutmacherei ein entscheidender Ausgangspunkt für Umwelt- und Artenschutz wurde. Die Ausstellung gehört zu der Werkschau „Dare to Know: Kreative Wissenschaft, präzise Kunst“ am Holzmarkt 25 und ist noch bis zum 10. November zu sehen.

„Mobile Dioramen“ nennt Susanne Schmitt die aufwändig dekorierten Hüte, von denen der jüngste wohl rund 60 Jahre alt ist. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts waren Federn und ausgestopfte Vögel auf Hüten auch für die Mittelschicht erschwinglich, die Nachfrage führte zu einer zunehmenden Jagd auf die Tiere. Naturschützerinnen, angeführt von prominenten Frauen in Europa und den USA, kamen ihnen zur Rettung. Anfang des 20. Jahrhunderts schoben neue Gesetze der Jagd und dem internationalen Handel mit Vögeln einen Riegel vor.

Inspiration für heutige Umweltbewegungen

Die ehrgeizigen und kreativen Kampagnen der Vogelschützerinnen beeinflussten Umweltbewegungen bis heute, erzählt Schmitt: „Viele der heutigen Strategien, von PR-Events bis hin zu Hungerstreiks, wurden während des Federhandels erprobt. Große Umweltschutzorganisationen wie die Royal Society for the Protection of Birds im Vereinigten Königreich und die Audubon Society in den USA wurden ebenfalls als Ergebnis dieses Umweltaktivismus gegründet.“ Auf einem Bildschirm können Besucherinnen und Besucher der Ausstellung einige historische Fakten nachlesen.

Schmitt bedient sie sich aber auch moderner wissenschaftlicher Methoden: Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz hat sie Bilder eines Hutmacher-Ateliers erstellt, die in ihrer „Tiny Gallery“ für die passende Atmosphäre sorgen. Die ausgestellten Hüte hat sie während ihres einjährigen Fellowships am RIFS im Internet, auf Flohmärkten und in Secondhandläden erstanden. Fachliche Informationen und Hilfe bei der Aufbereitung bekam sie von einer Hutmacherin sowie mehreren Botanikerinnen und Botanikern.

Hutbetrachtung mit KI: nicht korrekt, aber kreativ

Spannend war es für Schmitt dann, diese Infos mit den Ergebnissen aus mehreren Artenerkennungs-Apps abzugleichen. „Was die KI liefert, ist selten richtig, aber es sind kreative Anregungen, die in ganz neue Richtungen führen. Auf der Hutkrempe aus Stroh gibt es zum Beispiel eine Seidenblüte, die später hinzugefügt wurde. In dieser Blüte sehe ich eine abstrakte Rose, aber eine Pflanzenerkennungsapp erkannte geum rivale, Bach-Nelkenwurz. Plötzlich erzählte dieser Hut eine Geschichte über verschwindende Wiesenlandschaften und Feuchtgebiete.“

Es braucht also einfühlsame, einordnende Menschen, um den Resultaten der KI einen Sinn zu geben – aber auch, um neue Wege im Artenschutz zu gehen. Wie fragil die Natur ist, zeigen die Geschichten hinter den Hüten wie auch die Federn selbst: Manchmal, so berichtet Susanne Schmitt, habe schon eine Berührung gereicht, um eine Feder in öligen Staub zerfallen zu lassen.

Medien

Video: “To be of service.” Speculative millinery’s tiny worlds of consequence

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Zum ersten Mal findet bei der diesjährigen Berlin Science Week unter dem Titel „Dare to Know: Kreative Wissenschaft, präzise Kunst“ eine spezielle Werkschau statt, bei welcher die Kreativität der Künste der Strenge der Wissenschaft begegnet und beides miteinander verknüpft werden soll. Susanne Schmitts Arbeit mit dem Titel “To be of service. Speculative millinery’s tiny worlds of consequence“ ist eine von acht Tiny Galleries.
Mithilfe unterschiedlichster Formate von klassischen Kunstinstallationen und Künstlergesprächen über Science Slams, Comedy- und Live-Performances bis zu Workshops wird das Potenzial wissenschaftlicher Methoden, Herangehensweisen und Ergebnisse veranschaulicht. Über den emotionalen als auch ästhetischen Zugang von Kunstwerken wird eine innovative Auseinandersetzung ermöglicht.

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