Mineralische Ressourcen der Tiefsee - das gemeinsamen Erbe der Menschheit in der globalen Nachhaltigkeits-Agenda
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Das Interesse am Abbau mineralischer Rohstoffe aus mehreren tausend Metern Wassertiefe in Meeresgebieten jenseits nationaler Grenzen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die zuständige Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) hat bereits 29 Explorationslizenzen vergeben und entwickelt derzeit das gesetzliche Regelwerk für den Abbau mineralischer Ressourcen der Tiefsee („Mining Code"). Im Vordergrund der internationalen Diskussion über den Tiefseebergbau stehen die technische Machbarkeit, Profitabilität und mögliche Umweltauswirkungen - und weniger die Frage, ob Tiefseebergbau überhaupt stattfinden sollte und welche alternativen Entwicklungspfade möglich wären. Diesen Fragen geht die Studie „Eine zeitgemäße Vision für den globalen Meeresboden - das gemeinsame Erbe der Menschheit" im Auftrag der Heinrich Böll-Stiftung nach.
Das Internationale Seerechtsübereinkommen legt fest, dass die Meeresgebiete jenseits nationaler Hoheit und ihre Ressourcen das „gemeinsame Erbe der Menschheit" sind. Tätigkeiten müssen „zum Nutzen der gesamten Menschheit" ausgeübt werden. Wie dieses rechtliche Prinzip so operationalisiert werden kann, dass es dem Wohl der Menschheit dient und zu einer gerechten Verteilung nicht nur von finanziellen und wirtschaftlichen Erträgen, sondern auch zu einem Transfer an Wissenschaft und Technik führt, ist noch weitgehend ungeklärt. Während im Seerechtsübereinkommen noch ein Nord-Süd-Ausgleich zur Kompensation des Vorsprungs der Industriestaaten vereinbart wurde, verengen die derzeit laufenden Verhandlungen die Auslegung des geforderten Vorteilsausgleichs auf die Frage nach der Höhe der gegebenenfalls von Vertragsparteien zu entrichtenden Gebühr.
Ist der Rohstoffabbau am Meeresboden mit der Nachhaltigkeitsagenda vereinbar?
Seit der Verhandlung des Seerechtsübereinkommens in den 70er und 80er Jahren hat sich die Welt grundlegend verändert. Insbesondere die Belastungen der Ozeane durch falsche oder ungeregelte Ausbeutung haben zu zahlreichen regionalen und globalen Abkommen zum Schutz der Umwelt geführt, die in die 2015 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten globalen Nachhaltigkeitsziele eingeflossen sind. Es wird immer offensichtlicher, dass der zunehmende Wohlstand für alle auf Kosten der Umwelt geht und langfristig unkalkulierbare Risiken birgt.
Die Studie stellt die grundsätzliche Frage, ob die Fixierung auf den Rohstoffabbau in einem der am wenigsten bekannten, wahrscheinlich empfindlichsten und kaum direkt durch den Menschen beeinflussten Ökosysteme der Erde mit den Zielen der Nachhaltigkeitsagenda zu vereinbaren ist. Auch der Übergang zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen darf nicht auf Kosten irreparabler Schäden an den marinen Ökosystemen und ihren gesamtgesellschaftlich existenziellen Funktionen stattfinden. Insbesondere sollte die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen mehr Gewicht bekommen. Schon die ersten Definitionen von Nachhaltigkeit haben die Notwendigkeit hervorgehoben, zukünftigen Generationen eine Erde zu hinterlassen, die ihnen dieselben Möglichkeiten zur Entfaltung und Entwicklung bietet, wie wir sie vorgefunden haben.
Die Öffentlichkeit sollte über den Tiefseebergbau mitentscheiden
Ziel der Studie ist es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Meeresgebiete jenseits nationaler Grenzen, immerhin rund 50 Prozent der Fläche des Ozeans, ein globales Gemeingut sind, das auch verantwortungsbewusst zum langfristigen globalen Wohl verwaltet werden sollte. Die Forscherinnen und Forscher schlagen vor, dass vor der weiteren Verhandlung der Modalitäten des Rohstoffabbaus eine zeitgemäße Vision für die langfristige Umsetzung des gemeinsamen Erbes der Menschheit entwickelt sollte. Die Erarbeitung sollte nicht nur die Staatengemeinschaft, sondern insbesondere alle Bereiche der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit einbeziehen. Der Fokus sollte weg von nationalen und Partikularinteressen und hin zu einem globalen gesellschaftlichen Handeln im Sinne der globalen Nachhaltigkeitsziele verschoben werden.